Text Erdung des Unsichtbaren

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Erdung des Unsichtbaren

Seit mehreren Jahrzehnten arbeitet Jorinde Gustavs mit Textilobjekten aus dem Alltag. Beginnend 1983 mit der Veronika-Collage, später mit den frei hängenden Laken zur Ausstellung „Engel 89“ und den blutigen Märtyrerinnen-Wischlappen im Brandenburger Dom 1998.
Diese künstlerische Sprache nimmt den Impuls der Ready-mades auf, fertig geformte Dinge zu verwenden. Dinge die gebrauchsklar für ihre Verwandlung in eine Kunstaussage sind. Diese Sprache führt weiter zu einer Objektkunst, bei der die funktionale Aussage von Gegenständen zum Zwecke der Einmischung in gesellschaftliche Diskurse verwendet wird.
Das Zusammenfügen der Objekte in den Installationen arbeitet mit der Addierung der Objekträume und der Hinzuziehung anderer Kunstformen wie der Literatur, in der die Zeichen zu Bildern werden. Die begonnenen Geschichten der Objekte werden unter Einbeziehung der Betrachter weiter geschrieben. Der Schritt der aktiven und interaktiven Erzählform, die mit einer neu verstandenen Gegenständlichkeit als zeitgenössische Sprache sprechen will, führt weg von der Abbildung oder der Verehrung der nur schönen Oberfläche hin zur Vermischung der Realität mit ihrer Interpretation.
Die Schichtung verschiedener Kunstgenres und verschiedener gesellschaftlicher Erkenntnisstufen eröffnet die Möglichkeit, den Einzelnen, die Gesellschaft oder die Umwelt in zeitlich, räumlich oder historisch alternativen Konstellationen zu betrachten.
Jorinde Gustavs neuere Installationen erweitern das Spektrum der Gegenstände. Die Textilien haben nicht nur den sie umgebenden Präsentationsort als Resonanzraum, sondern bekommen behälterartige Partner: Gitter, Zinkbadewanne, Werkzeugkasten, Schrank, Dixi-Toilette, medizinisches Gerät, gynäkologischer Stuhl, Gewächshaus, Schlitten...
Zeitgleich zu dieser Publikation läuft in Basel die Kunstschau Arte Povera, in der die ‚armen‘ Materialien gefeiert und der Bogen von den Anfängen ihrer Kunstverwendung bis ins Heute gespannt wird, um „das allen Dingen zugrundeliegende Strömen von Energien“ (Carolyn Christov-Bakargiev) sichtbar zu machen und den Prozess der kritischen Wahrnehmung durch Irritation in Bewegung zu bringen.


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